Quellen zur Kolonialgeschichte 4

Georg Hillebrecht

„Man wird wohl später sich schämen müssen, in China gewesen zu sein.“
Tagebuchaufzeichnungen des Assistenzarztes Dr. Georg Hillebrecht aus dem Boxerkrieg 1900 – 1902

Quellen zur Kolonialgeschichte, Band 4

Broschur, 15 x 21 cm, 332 Seiten
2 Karten, 48 Abbildungen

Bochum, September 2021
ISBN 978-3-939886-06-8

32,80 EUR

Georg Hillebrecht im Ostasiatischen Expeditionskorps

Georg Hillebrecht beginnt sein ostasiatisches Tagebuch am 13.7.1900 und damit an genau dem Tag, an dem er seine Einberufung als Assistenzarzt beim III. ostasiatischen Feldlazarett bekommen hat. Über seine Motivation, sich als Freiwilliger zu melden, spricht er sich in seinen Aufzeichnungen nicht explizit aus. Zwischen den Zeilen aber wird sehr deutlich, daß der eigentliche Grund hierfür in einer Reise- und Abenteuerlust gelegen hat, wie sie mehr oder weniger wohl für alle Teilnehmer der China-Expedition angenommen werden kann. „Sie gehen nach China und sehen etwas von der Welt“ so die Abschiedsworte eines Freundes von Hillebrecht. Die Teilnahme an einem Kolonialkrieg – und um nichts anderes handelte es sich bei der Bekämpfung des sog. Boxeraufstandes – bot die hervorragende und für die allermeisten einzige Gelegenheit, der Enge des heimatlichen Militär- und Stubendienstes vorübergehend zu entfliehen und etwas von der Welt zu sehen. Nebenher mögen der mit einer Einberufung verbundene Einkommenszugewinn, vor allem aber die erheblich verbesserten Aufstiegsmöglichkeiten eine weitere, nicht unbedeutende Überlegung bei der Entscheidung zur Meldung ins Expeditionskorps gebildet haben. Vor allem letzteres hat wohl den Ausschlag dazu gegeben, daß Hillebrecht seine Dienstzeit in China ausdehnte und er erst im Oktober 1902, nach mehr als zweijähriger Abwesenheit, wieder nach Deutschland zurückkehrte.

Georg Hillebrecht war nicht nur Soldat, sondern vor allem auch ein humanistisch gebildeter Arzt im ostasiatischen Expeditionskorps. Mehr als der internationalen Politik und dem Krieg galten seine vielfältigen Interessen Land und Leuten und seinen Erlebnissen mit beiden. Entsprechend sind seine ausführlichen Tagebuchaufzeichnungen nicht nur als ein Kriegsbericht zu lesen, sondern ebenso auch dem Genre des klassischen Reiseberichts zuzurechnen. Besonders deutlich wird das anhand seiner Beobachtung während einer zweimonatigen Genesungs-Urlaubsreise in Japan 1902. 

Auszug aus dem Inhalt

In einem südlich Taku gelegenen alten Fort befinden sich alte, mit Weichblei überzogene Granaten. Diese Blei- oder Eisenteile werden von den Chinesen sehr gerne gestohlen, und die russischen Offiziere haben in der Nähe einen Anstand errichtet, wo sie verdeckt abends liegen, um stehlende Chinesen abzuschießen. Sie haben dort schon [92] ein Dutzend zur Strecke gebracht und sogar in der Nähe befindliche deutsche Offiziere zu diesem schauerlichen Jagdvergnügen eingeladen. Wer von den Chinesen zurückgeblieben ist, wird, und sei es auch der reichste Kaufmann gewesen, erbarmungslos zur Arbeit gepreßt. Je 20 Arbeiter werden von zwei Soldaten bewacht, die ihren Bambus brillant zu brauchen verstehen und natürlich scharfe Munition auch stets bei sich haben.
In den blutigen Kämpfen zwischen Tientsin und Taku sollen Russen und Japaner am tollsten gegen das Leben, Engländer am niedrigsten gegen das Eigentum gewütet haben. Jeglicher Europäer hat eine Heidenangst vor den Engländern. Übrigens entblödet sich auch keine europäische Nation, auch bei Europäern zu plündern, und hierbei soll die Stufenleiter nach Vorgang der Württemberger von Anno 70 so sein, daß Deutsche und Italiener nur „leicht anplündern“, Franzosen, Russen, Japaner schon „moderiert devaschtieren“, Engländer und Amerikaner dagegen alles gleich „in Grund und Boden verwünschten“.