Wilhelm Schaar
Briefe und Berichte von Wilhelm Schaar
Missionar in Okombahe
Deutsch-Südwestafrika, 1890 – 1900
Hrsg. von Andreas Eckl, eingeleitet und transkribiert von Rainer Tröndle
Quellen zur Kolonialgeschichte, Band 3
Broschur, 15 x 21 cm, 172 Seiten
Bochum, August 2021
ISBN 978-3-939886-05-1
22,80 EUR
Missionar Wilhelm Schaar in Okombahe
Okombahe liegt ca. 70 km westlich Omaruru am Omaruru Rivier, der Name bedeutet „Giraffenplatz“. 1876 hatte sich dort eine Damara-Gruppe aus Omaruru unter ärmlichsten Verhältnissen angesiedelt. Evangelisch betreut wurden sie bereits seit 1869 von dem Evangelisten Daniel Cloete, der ihnen auf ihr Bitten hin von Missionar Hahn gesandt worden war. Da Daniel Cloete nicht ordiniert war, wurde Okombahe zusätzlich von Missionar Böhm aus Ameib betreut, der die Abendmahlsfeiern leitete und Taufen spendete. In den Jahren 1878-1880 wurde Okombahe wiederholt von Herero angegriffen. Diese duldeten trotz der Zusage von chief Maharero keine freien Damara in ihrem Machtbereich. Deshalb flüchtete Cloete mit einem großen Teil seiner Gemeinde zeitweilig nach der Walfischbay. Die übrigen Damara flohen ins Erongo-Gebirge und zum Brandberg, der Platz verwaiste vorläufig. Ab 1882 sammelte sich um Missionar Niederwelland wieder eine Gruppe von Damara und Herero in Okombahe, wobei die letzteren jetzt in der Überzahl waren. Aber schon 1885 starb der Missionar überraschend an Malaria oder Typhus. Die Station Okombahe wurde daraufhin 1886 von Missionar Baumann übernommen. 1888 zählte die Gemeinde 128 Mitglieder. Doch auch Baumann war kein langes Wirken beschieden, noch im selben Jahr ereilte auch ihn der Tod und die Gemeinde zerstreute sich wieder. Im folgenden Jahr waren nur noch 87 Getaufte am Ort. Friedlichere Zeiten erlaubten es schließlich dem Evangelisten Daniel Cloete von Scheppmannsdorf nach Okombahe zurückzukehren. Unter seiner Leitung stieg die Zahl der getauften Gemeindeglieder – Damara wie Herero – bis Ende 1891 auf 242. Wilhelm Schaar erhielt 1891 die Aufgabe, missionarischer Seelsorger für die beiden Volksgruppen in Okombahe zu sein, einer Aufgabe, der es bis zu seinem frühen Tod nachkam. Wilhelm Schaar verstarb am 11. November 1900 in Okombahe im Alter von nur 35 Jahren und wurde neben seinen Mitbrüdern und seiner kleinen Tochter auf dem Friedhof Okombahe zur letzten Ruhe gebettet.
Die regelmäßigen Briefe und Berichte von Wilhelm Schaar an die Leitung der Rheinischen-Missionsgesellschaft in Wuppertal aus dieser Zeit bilden eine einzigartige und reiche Quelle für die Frühgeschichte dieses Ortes und dem Leben der dortigen Anwohner. Schaar berichtet von persönlichen Belangen, von Erfolgen und Misserfolgen seiner Missionstätigkeit, von Dürre, Hungersnöten, Lungenseuche der Rinder, Kriegswirren und zahlreichen Krankheiten, die das Leben der Menschen auf Okombahe bestimmten.
Auszug aus dem Inhalt
Am 8. Januar hatten wir einen noch größeren Tag vor uns, es war Tauffest. 30 Personen aus den Heiden konnte ich im Namen Jesu taufen. Von diesen waren 4 Herero, die übrigen Bergdamra. Wir hatten die Freude an diesem Festtag den l. Bruder Bernsmann unter uns zu haben. Er hatte es sich trotz des langen, mühsamen Rittes nicht nehmen lassen hierher zu kommen, um an unserer Freude teilzunehmen. Zwei Gottesdienste wurden gehalten, am Morgen für die Herero, am Nachmittag für die Bergdamra. Beide Gottesdienste waren bis auf den letzten Platz besetzt. Auf den vorderen Bänken saßen die Täuflinge, fast alle in weißen Kleidern. Bruder Bernsmann redete zu den Herero über die Epistel des Tages Röm. 12, 1-6, zu den Bergdamra über das Epiphanias-Evangelium Math. 2, 1-12. Die meisten der Leute konnte ich mit Freudigkeit taufen, einige aber nur mit Bedenken. Von manchen war ich überzeugt, dass die Kraft des Wortes Gottes an ihren Herzen sich mächtig erwiesen hat und sie sich auf dem Weg des Heiles befinden, andere mussten zurückgestellt werden, obschon sie sich schon 3-4 Jahre im Taufunterricht befinden. Unter den letzteren war auch ein junger Herero, ein Verwandter des Häuptlings Daniel Kariko, welcher sich hatte etwas zuschulden kommen lassen und auch sonst im Unterricht sehr gleichgültig war. Als ich ihm mitteilte, er könne noch nicht getauft werden, wurde er sehr böse und sagte: „Wozu sind die Lehrer denn anderes gekommen als zu taufen und zu lehren?“ Mit Hilfe des Daniel suchte er seinen Willen durchzusetzen. Dieser schrieb, als er mich unerbittlich sah, einen Brief an Manasse nach Omaruru, der ungefähr so lautete: „Mein Lehrer tut böse, er betrachtet meine Verwandten als böse Menschen (Schlingel), deshalb will er nicht alle, die bei ihm in den Unterricht gegangen, taufen, befiehl du ihm alle zu taufen.“ Diesen Brief musste ein Eilbote zu Pferd dem Manasse überbringen. Der war aber vernünftig und sagte, um die Sache der Missionare haben wir uns nicht zu kümmern. Daniel Kariko gibt überhaupt den Christen viel Anstoß. Vor zwei Monaten hat er die zehnte Frau geheiratet, und zur Gemeinde will er nicht zurückkehren. Andere ausgeschlossene Christen, die vielleicht gerne wieder aufgenommen sein möchten, hält er auch von der Umkehr zurück. Im Dezember des verflossenen Jahres hat er sich ohne mein Wissen viel Branntwein von der Bay kommen lassen und verführte die Christen zum Mittrinken, und aus dem Trinken entstand Zank und Streit.